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Karl-Otto Kirst

Porträt_Karl-Otto KirstKarl-Otto Kirst

 

Alter: 66 Jahre
Beruf: 5 Jahre Deutschlehrer in Chile
10 Jahre Deutschlehrer in der Türkei
Lehrer für Deutsch und Geschichte, Sekundarstufen I und II
aktuelle Tätigkeit: Rentner seit Februar 2019

 

 

Meine 15 Jahre Arbeit und Leben als Lehrer für Deutsch (als Fremdsprache) in Chile und in der Türkei haben mich stark geprägt. In beiden Ländern war ich nicht Tourist, sondern jemand, der im Land selbst arbeitete und der die Landessprache und -kultur kennen lernte und kannte.
Zugleich war ich dennoch immer auch „fremd“: jemand, der aus einem anderen Land kam, eine andere Muttersprache und einen anderen kulturellen Hintergrund hatte.

Sicherlich war ich sowohl in Chile als auch in der Türkei in vieler Hinsicht ein privilegierter Ausländer, weil ich als Deutscher in beiden Ländern gern gesehen und respektiert war, weil ich als Lehrer einen geachteten Beruf hatte und weil ich finanziell gut abgesichert war.

Dennoch habe ich mich in beiden Ländern auch mehr als einmal sehr deutlich als Ausländer bzw. fremd gefühlt,
– weil ich die Landessprache noch nicht oder erst unzulänglich beherrschte,
– weil mir Gewohnheiten fremd waren,
– weil die Bürokratie häufig ein nahezu unüberwindliches Hindernis darstellte,
– weil ich zunächst kaum jemanden kannte.

Dass das frühere und schnelle Erlernen der Landessprache ganz wesentlich für ein gutes „Ankommen“ im neuen Land ist, habe ich selbst sehr deutlich gespürt. Und als Anfang 2015 die ersten vor dem IS geflüchteten Schüler*innen aus dem Irak an die Wilhelm-Kraft-Gesamtschule kamen, war für mich klar, dass auch diese möglichst schnell die Möglichkeit haben müssten, Deutsch zu lernen, und zwar mit intensiver persönlicher Betreuung: Deutsch als Zweitsprache (DaZ) ist in einem solchen Zusammenhang immer auch Landeskunde und vielfältige Hilfe beim „Ankommen“ im neuen Land.

2016 übernahm ich dann auch offiziell die Koordination des DaZ-Unterrichts an meiner Schule und wurde ein Jahr später zusätzlich auch Prüfungsbeauftragter meiner Schule für das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz, Stufe I, (DSD I) sowie DSD-Begleiter für die Vorbereitung und Betreuung der DSD-Prüfungen an anderen Schulen.

Seit 1996 nutze ich digitale Medien (Lernprogramme und Computer) für den Deutsch-als-Fremdsprache- sowie heute den Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht. So war es naheliegend, dass ich Mitte 2016 ein Jahr lang in einem Kurs „Deutsch am Computer“ bei der Flüchtlingshilfe Sprockhövel mit Hilfe der damals neuen Chromebook gab.
Seit Januar 2019 unterrichte ich wieder Deutsch in einem Kurs der Flüchtlingshilfe Sprockhövel, zunächst ein halbes Jahr in der Artothek und aktuell im MachMit.

Gerne war ich seitdem auch zweimal Sprachlernbegleiter in einem „FerienIntensivTraining – FIT in
Deutsch“, angeboten von der Flüchtlingshilfe Sprockhövel in den Sommer- und den Herbstferien 2019.

Meine Erfahrungen im Ausland sowie das Schicksal der 2015 nach Deutschland und Europa gekommenen Geflüchteten waren für mich Anstoß, mich im Rahmen meiner Möglichkeiten dafür zu engagieren, dass die neu in unser Land gekommenen Menschen gut ankommen und so auch schnell ein Gewinn für dieses Land sein können.

Trotz der Änderungen der herrschenden Stimmung gegenüber Geflüchteten und gegenüber Migrant*innen allgemein habe ich den Eindruck, dass an der Basis, also bei den Menschen, die sich selbst engagiert haben, gerade hier in Sprockhövel nach wie vor ein sehr hoher Grad von Engagement für die Integration neu zugewanderter Menschen gegeben ist. Das freut mich sehr und es macht mich auch glücklich, mit so vielen ähnlich gesinnten Menschen (Einheimischen und Neuzugewanderten) zusammenarbeiten zu können.

Ich wünsche mir, dass die sehr erfolgreiche Arbeit der Flüchtlingshilfe Sprockhövel und zahlreicher
anderer Menschen fortgesetzt werden kann und wird. Der von Anfang an erfolgreich gelebte Ansatz, nicht nur für, sondern zugleich auch mit Geflüchteten und anderen Neuzugewanderten zu lernen und zu leben, wird sicherlich auch auch mittel- und längerfristig sinnvoll und erfolgreich sein.

Die erfolgreiche Integration zahlreicher Menschen unterschiedlicher Herkunft in unserem Land kann mittel- und langfristig ein bedeutender Baustein für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung unseres Landes sein. Jede hierfür heute geleistete Anstrengung zahlt sich für uns alle aus.

Ich selbst habe in meiner Zusammenarbeit mit Neu-Zugewanderten ganz wunderbare Menschen kennen gelernt, die mich in meiner Überzeugung bestärkt haben, dass letztlich Menschen trotz aller Unterschiede in Herkunft, Aussehen, Religion usw. doch gleich sind. Durch die Begegnung mit Menschen mir bisher fremder Länder und Sprachen habe ich viel nicht nur über diese Menschen, sondern auch deren Sprachen, Länder und Kulturen kennen gelernt, was mein Weltbild erweitert und differenzierter werden lassen hat. Was wusste ich vorher schon über Syrien oder über das Arabische? Verschiedene junge Menschen aus Westafrika z. B. haben mich mit ihren außergewöhnlichen sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten begeistert: Welch großer Gewinn können solche Menschen für unser Land sein!